Industrial Marketing - Personas als Schlüssel zum Erfolg

Kaufentscheidungen sind selten das Ergebnis eines einzigen Gesprächs. Sie entstehen im Team durch Abstimmungen, Diskussionen und einen komplexen Entscheidungsprozess. Wer als Hersteller erfolgreich sein möchte, muss diesen Prozess verstehen und die unterschiedlichen Perspektiven aller Beteiligten in den Vordergrund stellen. Doch wie lässt sich die Vielfalt der Entscheidungsträger konkret adressieren?
Personas als Schlüssel im Industrial Marketing
Die Antwort liegt in der Verwendung von Personas. Sie helfen dabei, den komplexen Entscheidungsprozess sichtbar zu machen, indem sie typische Rollen im Entscheidungsprozess repräsentieren. Personas machen den gesamten Entscheidungsprozess transparent. Sie zeigen auf, wer wann und warum Einfluss nimmt - von der Identifikation des Bedarfs über den Einkauf bis hin zur Wartung. Um die Buyer´s Journey im Industrial Marketing erfolgreich zu begleiten, müssen Unternehmen verstehen, welche Informationen jede Persona in den verschiedenen Phasen benötigt.
Praxisbeispiel Kugellager:
Ein Maschinenbauer plant eine neue Verpackungsanlage. Die Auswahl eines vermeintlich kleinen Bauteils, wie eines Kugellagers, beeinflusst jedoch massiv die Effizienz, Lebensdauer und Wartungssicherheit der gesamten Maschine. Je nach Rolle, die eine Person im Entscheidungsprozess innehat, wird das Kugellager aus einer völlig anderen Perspektive betrachtet.
Personas im Fokus - Wer trifft die Entscheidung?
Im Maschinenbau sind verschiedene Rollen an der Auswahl einer Komponente wie einem Kugellager beteiligt. Jede dieser Rollen bringt ihre eigene Perspektive, ihre eigenen Ziele und Herausforderungen mit. Diese unterscheiden sich je nach Phase der Buyer´s Journey - von der Planung, über den Einkauf, bis hin zu Wartung.
Konstrukteurin - die technische Entscheiderin
Aufgabe:
Wählt das passende Kugellager aus und integriert es in die Konstruktion der Verpackungsanlage. Dabei stellt sie sicher, dass Einbaugröße, Belastbarkeit und Drehzahl den Anforderungen entsprechen.
Informationsbedarf:
CAD-Modelle, technische Daten, Lebensdauerberechnungen
Ziel: Funktionalität, einfache Integration, Zukunftssicherheit
Herausforderungen: Zeitdruck, Balance zwischen Innovation und Standards
Phase: Planung
Blickwinkel: Die Konstrukteurin bewertet die Komponente aus technischer Sicht, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen entspricht und ins Gesamtsystem integriert werden kann.
Einkäufer - der wirtschaftliche Entscheider
Aufgabe:
Vergleicht Angebote, Preise, Lieferzeiten und Vertragsbedingungen.
Informationsbedarf:
Kosten, Lieferzuverlässigkeit, ROI-Berechnungen
Ziel:
Günstige Konditionen, Risikominimierung, stabile Lieferantenbeziehungen
Herausforderungen:
Interne Abstimmungen, Budgetvorgaben, Margendruck
Phase:
Einkauf
Blickwinkel:
Der Einkäufer prüft die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Komponente und stellt sicher, dass sie im Budgetrahmen liegt und das Unternehmen nicht finanziell gefährdet.
Instandhalter - der praxisnahe Entscheider
Aufgabe:
Arbeitet täglich mit der Maschine, überwacht Wartung und Austausch.
Informationsbedarf:
Ersatzteile, Bedienungsanleitungen, Supportmaterial
Ziel:
Zuverlässigkeit, einfache Bedienung, minimaler Ausfall
Herausforderungen:
Komplexität, Zeitdruck bei Störungen, Schulungsbedarf
Phase:
Wartung
Blickwinkel:
Der Instandhalter bewertet die Praxistauglichkeit und Wartungsfreundlichkeit der Komponente, um Ausfallzeiten und teure Reparaturen zu minimieren.
Zusammenfassung der drei Blickwinkel
| Persona | Fokus und Ziel | Wichtige Informationsquellen | Abteilung |
| Konstrukteurin | Technische Eignung, Integration ins Modell | CAD-Modelle, technische Daten | Konstruktion |
| Einkäufer | Kosten, Risiko, Lieferkonditionen | Preis, ROI, TCO-Analysen | Einkauf |
| Instandhalter | Zuverlässigkeit, Wartungsfreundlichkeit | Ersatzteile, Bedienungsanleitungen | Support/ Wartung |
Besonderheit: Sonderfertigung vs. Serienfertigung
Die Rolle des Einkaufs variiert stark, je nach Fertigungsart:
- Sonderfertigung:
Der Einkauf ist nur gering eingebunden. Die finale Entscheidung liegt fast immer bei der Konstrukteurin, die zwar preisbewusst agieren sollte, jedoch primär Funktion und Qualität in den Vordergrund stellt. - Serienfertigung:
Hier gewinnt der Einkauf an Einfluss, da Skaleneffekte und langfristige Kosten entscheidend sind. Dennoch bleibt der Hauptteil der Entscheidung über die zu verbauenden Komponenten bei der Konstrukteurin. In vielen Fällen "winkt" der Einkauf die Auswahl des Bauteils durch, sofern die Vorgaben erfüllt sind.
Praxisbezug - Komponentenwahl entlang der Personas
Anhand des Kugellagers wird deutlich: Jede Persona betrachtet dieselbe Komponente aus ihrer eigenen Linse:
- Die Konstrukteurin wählt das Kugellager aus, prüft die Anforderungen und integriert es in die Konstruktion.
- Der Einkäufer recherchiert nach Lieferanten und kalkuliert Kosten, Lieferzeiten und Risiken. Somit stellt er die Wirtschaftlichkeit sicher.
- Der Instandhalter bewertet die Praxistauglichkeit und Wartungsfreundlichkeit des Kugellagers. Dabei achtet er besonders auf Schmierung, Reparaturmöglichkeiten und Ersatzteilverfügbarkeit.
Um diese unterschiedlichen Anforderungen zu bedienen, müssen Marketing und Vertriebsmaßnahmen Persona-spezifisch ausgerichtet werden. Dabei spielen die Phasen der Buyer´s Journey eine zentrale Rolle: Planung, Einkauf und Wartung müssen in den jeweiligen Kommunikationsstrategien berücksichtigt werden.
Handlungsempfehlungen für Hersteller
Um die unterschiedlichen Personas entlang der Buyer´s Journey zu erreichen:
Für Konstrukteure
- Bereitstellung von CAD-Daten, Whitepapers und Anwendungsbeispielen
- Fachartikel und Tutorials zur Funktionsweise der Komponente
Für Einkäufer
- Transparente Preis- und Lieferinformationen
- ROI- und TCO (Total Cost of Ownership)- Analysen sowie Vergleichsdokumente zur Unterstützung der Kaufentscheidung.
Für Instandhalter
- Schulungsunterlagen und Video-Tutorials für die Wartung
- Schnelle Ersatzteilversorgung und eine zuverlässige Support-Hotline
Fazit - Personas als strategischer Schlüssel
Personas sind ein bewährtes Marketing-Instrument und unverzichtbar. Sie sind der Schlüssel, um die wahre Komplexität im Industrial Marketing zu verstehen. Hinter jeder Entscheidung steckt mehr als Technik: unterschiedliche Ziele, versteckte Prioritäten und individuelle Blickwinkel. Wer diese erkennt, schafft Vertrauen und wird zum Partner, nicht nur zum Anbieter.


